20 Jahre Monika Enterprise
Interview mit Gudrun Gut
Ein Name zu Ehren des suizidalen Goldfisches – der Legende nach benannte die Musikerin, DJane, Moderatorin, Musikproduzentin, Labelinhaberin und Aktivistin des Berliner Undergrounds Gudrun Gut ihr Label Monika Enterprise nach ihrem geliebten Haustier. In Berlin bereits bekannt wie ein bunter Hund, kann es trotzdem nicht so leicht gewesen zu sein, 1997 als Pionierin ins Independent Label-Geschäft einzusteigen. Die erste Veröffentlichung war eine auf 500 Exemplare limitierte 7″-Single des Elektropop-Duos Quark, mittlerweile hat sie mehr als 60 Alben veröffentlicht und über 20 KünstlerInnen wie z.B. Barbara Morgenstern und Masha Qrella unter Vertrag. Wir schauen im Interview mit ihr auf 20 Jahre Label-Geschichte zurück.
In der Electro-Szene und KünstlerInnen-Förderung ist Gudrun Gut mittlerweile nicht mehr wegzudenken, ihr Networking ist legendär, ihre Projekte so kreativ wie innovativ. Sei es die jährlich erscheinende “4 Women No Cry”-LP Serie, die vier mehr oder weniger bekannte Akteure aus dem Electronica- und Singer-/Songwriter Genre auf einer LP herausbringt. Oder ihr neues Projekt „Monika Werkstatt“, in der sich 10 SolokünstlerInnen für eine dreitätige Aufnahmesession in der Uckermark zum Kollektiv zusammengeschlossen haben, um sich gegenseitig zu inspirieren. Die totale künstlerische Freiheit in Zeiten des Neoliberalismus zu leben, keine Kompromisse einzugehen, das ist ihre Vision, der sie bis heute treu geblieben ist. „Hasn’t creativity been reduced to wages and money versus time and art?“ fragt der Begleittext der kollektiv produzierten Werkschau, der Compilation „Monika Werkstatt“ (VÖ: 16.06.2017), mit deren Release und diversen anderen Events das Label jetzt Jubiläum feiert. Raum für Entwicklung zu geben, „Empowerment“ für sich selbst und die Kolleginnen, aber auch für das Publikum sind die Stichwörter ihres Ansatzes. Denn mit der Monika Werkstatt soll auch das eindimensionale Konzept Produkt-EndverbraucherIn aufgebrochen und die Interaktion mit dem Publikum gesucht werden. Konzerte werden z.B. von Talks und Workshops begleitet.
Angefangen hatte alles in den frühen 80ern, Gudrun Gut ist Aktivistin der Berliner Underground Szene und mischt in der Punk-, Indie- und Technoszene mit. Sie ist Gründungsmitglied legendärer Bands wie Mania D., Einstürzende Neubauten, der Frauenkombo Malaria! und Matador, kreiert mit Myra Davies das Spoken Word, Musik und Multimedia Projekt Miasma. Als Mastermind ruft sie 1996 das Projekt Ocean Club ins Leben, ein Mix aus Radioshow, Club mit wechselnden DJs, Festivals und diversen Alben, mit dabei sind Anita Lane, Danielle de Picciotto, Blixa Bargeld, Inga Humpe, Katharina Franck und Manon P. Duursma, um nur einige zu nennen. 1997 gründet sie das Label Monika Enterprise mit dem Fokus auf der Entwicklung weiblicher Künstlerinnen. 2011 erhält sie die V.U.T Goldene IndieAxt „to praise her unconventional approach as labelworker, as an artist and networker“.
Ihre eigene Solo-Karriere treibt sie auch weiter voran. 2007 erschienen Solo-Alben („I Put A Record On“ 2007, „Wildlife“ 2012) mit beachtlichem Feedback von Presse und Fans aus dem In- und Ausland. Es folgen viele Konzerte in der ganzen Welt. Mit Antye Greie macht sie als Greie Gut Fraktion gemeinsame Sache, mit Hans-Joachim Irmler gibt sie das Album „Gut und Irmler: 500m“ heraus. 2016 remixt sie das Album „Heimatlieder aus Deutschland feat. Berlin/Augsburg“, das Musik von MigrantInnen featured, und veröffentlicht „Vogelmixe“.
Dein Label Monika Enterprise wird dieses Jahr 20 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch! Kannst Du Dich noch an die Zeit damals erinnern, als Du das Label gegründet hast? Du warst ja als Frau eine Pionierin, oder (zumal Du ja bereits 1990 Dein erstes eigenes Label gegründet hattest)? Wie waren die Bedingungen und der Zeitgeist damals in Berlin?
Monika habe ich 1997 gegründet – ich erinnere mich sehr gut an das Tapetekleben und Stempeln auf die erste Single. Wir hatten ein Minibüro in der Monumentenstraße – Jackie A. war meine Assistentin. Wir wussten nicht, was wir tun, aber wir versuchten alles und hatten Spaß und glaubten an die Musik. Der Zeitgeist war noch von der Wiedervereinigung geprägt – für mich als Westberlinerin war der Osten immer noch neu und aufregend. Es gab aber nur Techno oder Stadium-Rock. Wir machten Wohnzimmer. Das Label sollte nicht für DJ’s, sondern für Künstler sein.
Wenn Du die letzten 20 Jahre Revue passieren lässt: Was hat sich in dieser Zeit verändert? Sind die Bedingungen für Musikerinnen besser geworden?
Oh je. Leider nein. Heute muss eine Künstlerin sehr viel selber in die Hand nehmen, sich selbst vermarkten, viele Gigs spielen und die Verkäufe sind sehr schlecht. Glücklicherweise gibt es ein paar Musik-Förderungen, die hier helfen. Es ist ähnlich wie bei den Bildenden Künstlern oder beim Theater – es ist fast unmöglich oder zumindest sehr schwer, eine künstlerische Karriere selber zu finanzieren.
Als DJ und Electromusikerin bist Du ja wohl ziemlich technikaffin. Wie kamst Du überhaupt zur Electro-Musik und hast Du Dir alles selbst beigebracht?
Ich habe bereits in den 80ern mit „Mania D.“ Synthie und Schlagzeug gespielt. Kopf und Körper habe ich das immer genannt. Der KorgMS20 war damals der beliebteste Synth, weil er auch günstig war. Mit Matador fingen wir dann mit Computern an- damals noch Atari – später Mac. Ja, ich bin immer recht angstlos an die Sachen rangegangen.
2015 hast Du das Format Monika Werkstatt erfunden. Was war die Idee dahinter?
Die Idee ist geklaut, vom Label „fmp“ ( (free music production). Die haben sowas im Freejazz-Bereich gemacht schon in den 70ern. Ich wollte die Struktur aufbrechen, die Arbeit an der Musik in den Vordergrund stellen, also die Werkstatt. Das Kollektiv aufleben lassen. Alles Künstlerische ist immer so mit einem Geheimnis umgeben, als ob es nur zum Spaß ist und Künstler ja nur im Café abhängen. die meisten Menschen wissen nicht, wieviel Arbeit hinter einem Album steckt. Richtige Arbeit. Musik hat Wert. Das wollte ich thematisieren. Freiheit ist das andere wichtige Thema.
Es sollte aber keine Band sein, sondern ein loser Verbund. Wir haben mehrere Abende mit ca. 4 Künstlerinnen gemacht, wo jede Solomaterial spielt, alle dann aber auch zusammen etwas entwickeln. Oft war ein öffentliches Gespräch dabei, das war wunderbar, weil man dabei auch neue Dinge übereinander erfährt, wie die einzelnen an Musik arbeiten etc. Die logische Schlussfolgerung war dann das Monika Werkstatt-Album. Gemeinsam mit 10 Künstlerinnen in der Uckermark. Ich kannte alle, aber sie kannten sich nicht untereinander. Es hat funktioniert. 3 Tage Session und danach hat jede ein paar Tracks mit nach Hause genommen und fertigproduziert.
Im Rahmen der Werkstatt hast Du im April Berliner Künstlerinnen „aus dem Monika/Moabit Umfeld“ eingeladen, sich je ein neues Tool auf der Musikmesse herauszusuchen und damit dann abends Musik zu machen, ohne es vorher zu kennen, nach dem Motto „Scheitern als Chance“. Eine geniale Idee, wie ich finde, und schade, dass ich nicht dabei sein konnte. Wie kam das an?
Haha. Ja das war bei Superbooth. Es war recht „demanding“ an alle. Lucrecia Dalt, Islaja, Beate Bartel, Pilocka Krach, Barbara Morgenstern und ich. Die Instrumente waren recht kompliziert, viel modular Zeugs, ich hatte eine Drummaschine (den MFB Tanzbär) und einen O-Coast Synth von Make Noise, alles unbekannte Instrumente für uns – jede spielte etwas anderes und wir haben dann doch alle Töne rausbekommen und auch zusammen was Tolles skizziert. Sehr, sehr aufregend war das und toll. Die Luft hat gebrizzelt!
Jetzt kommt ein erstes Album der Monika Werkstatt-Künstlerinnen heraus, das ihr am 27.06.2017 bei einem Event vorstellt. Worauf kann sich das Publikum freuen?
Ja, unser Record-Release! Im Imagemovement werden wir über die Arbeit am Album erzählen und Videos zeigen- danach gehen wir rüber in den Monbijoupark in die Marchenhütte und dort spielt erst Chica Paula Schopf ein ganz neues Liveset und dann gibt’s die Monika Werkstatt live auf der Bühne. Barbara Morgenstern, Beate Bartel, Pilocka Krach, Islaja, AGF, Danielle de Picciotto und ich legen danach noch bisschen Musik auf. Also ganz große Werkstatt. Das wird bestimmt wundervoll – allein der Ort ist fantastisch – noch nicht so belegt.
Und im August wird dann mit einem Festival weitergefeiert?
Ja! Wir feiern den Monika-Geburtstag dann beim Pop-Kultur Festival. Das wird SKM60 sein – ein Zusammenschluss der Labels shitkatapult, Karaoke Kalk und Monika – wir werden jeder 20 und feiern zusammen 3 volle Abende im Prater. Bitte unbedingt vormerken…
Ich hab gesehen, dass die Monika Werkstatt im Spätsommer auf Tour durch Budapest, Warschau und Prag geht. Wie kam es dazu und wie ist die Musik-/Electroszene dort?
Das weiß ich nicht – das werden wir sehen! Danielle de Picciotto hat das Booking für die Werkstatt übernommen und kümmert sich um die Events. Das ist nicht so einfach und Danielle macht das ganz wunderbar.
Es gibt ja mittlerweile eine institutionelle Pop-Künstlerförderung in Berlin, wie z.B. die zahlreichen Förder-Programme des Musicboards. Wie beurteilst Du solche Programme?
Absolut essentiell. Sehr wichtig ist das für die Musikszene. Es hilft ungemein, ein bisschen finanzielle Unterstützung zu haben. Die Skandinavier laufen uns sonst davon! (lacht)
Tourtermine Monika Werkstatt:
23.06. Talk und Konzert – Berlin, Dussmann Instore
27.06. Record Release – Präsentation und Konzert in Berlin, ab 19 Uhr bei imagemovent gegenüber Monbijoupark, ab 20:30 Uhr Live Show in der Märchenhütte im Monbijoupark mit AGF, Barbara Morgenstern, Beate Bartel, Danielle de Picciotto, Gudrun Gut, Islaja, Pilocka Krach
23.08.-25.08. SKM60 c/o Pop-Kultur Festival – Berlin, Prater
www.monika-enterprise.de
Autorin: Mane Stelzer
16.06.2017