Wofür ich Barbara Morgenstern aufrichtig bewundere, ist, wie sie im Lauf der Jahre mit ihrer unaufdringlichen, zarten Musik zu einer festen Größe hiesigen Elektrosounds geworden ist, oder anders: eine ganz maßgebliche Künstlerin in dieser „Sparte“ ist. Sanft, aber bestimmt fordert sie Aufmerksamkeit ein, wie eine sehr freundliche Lehrerin singt und musiziert sie leise, damit ihr zugehört wird (zumindest auf Platte, dass sie live ganz schön auf den Putz haut, ist ja bekannt) – und man hört ihr zu. Morgensterns letztes, dabei erstes englischsprachiges Album hieß „Sweet Silence“, wie passend.
Die neue Platte „Doppelstern“ ist eine Kooperation mit vielen Freundinnen und Freunden, beziehungsweise: ein sparten- und länderübergreifendes Experiment in elf Tracks. Barbara Morgenstern ist sozusagen der Fixstern dieses Projekts, wobei sie in den verschiedenen Konstellationen mal Sonne oder Schnuppe oder beides gleichzeitig ist, um im astronomischen Bild zu bleiben. Doppelsterne korrespondieren miteinander, auch wenn sie Lichtjahre voneinander entfernt sind – so ist es auch auf diesem Album. Als musikalische PartnerInnen, Gegenpole oder Spiegelsterne hat Barbara Morgenstern zum Beispiel Julia Kent eingeladen, Richard Davis, Marco Haas alias T. Raumschmiere, die Kolumbianerin Lucrecia Dalt oder die japanische Elektromusikerin Coppé.
Erstaunlicherweise gelingt es tatsächlich, dass die unterschiedlichen stilistischen Ansätze und „Alleinstellungsmerkmale“ der geladenen Gäste erhalten bleiben, und dass doch jeder Track unverkennbar ein Morgenstern-Stück ist. So wird es im Duett mit Tonia Reeh a.k.a. Monotekktoni lyrisch drastisch: „Schieß den Bock“ ist erstmal ein ungewöhnlicher Titel für einen Morgenstern-Song, aber wie bei allen anderen Doppelsternen dieses Albums fügen sich hier divergierende Ansätze zu einem schillernden, dynamischen Mini-Universum. Es gibt natürlich Kooperationen, die von vornherein, quasi ohne dass man sie gehört hat, perfekt und passend erscheinen: Barbara mit Labelchefin Gudrun Gut zum Beispiel: „Too Much“ heißt das Stück und ist eine Monika-Enterprise par excellence. Gut raunt Strenges: „He drinks too much“, oder „you’re not focused enough“ – aber das Stück hat Humor und Wärme, wie alle guten Monika-Veröffentlichungen. Eindrucksvoll: „Meins sollte meins sein“ – Hauschka bearbeitet sein präpariertes Klavier, ganz unverkennbar; und Morgenstern, die ja gern behauptet, dass ihre Lyrics nur Nebensache seien, singt einen ihrer besten Texte überhaupt. Mein Liebling aber ist „Übermorgen“, ein ganz zauberhafter Disco-Chanson mit Justus Köhncke: In diesem sehnsuchtsvollen, romantischen, soft tanzbaren Track leuchtet die Idee des Doppelsterns am Hellsten.
Text: Christina Mohr
Kaput Mag