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11. Dezember 2018, 18:50 Uhr
Popkolumne
Von Jan Kedves
In Berlin freut man sich derweil über das am vergangenen Freitag erschienene neue Album von Gudrun Gut. Die ist so etwas wie die Musikpatin der Stadt, zumindest für die experimentellere, untergrundigere Szene. In den Achtzigerjahren war Gut in Westberlin Gründungsmitglied der Einstürzenden Neubauten sowie der Frauenband Malaria! (“Kaltes Klares Wasser”), sie moderierte auf Radio Eins 15 Jahre lang die exzellente Sendung “Ocean Club” und setzt sich mit ihrem Label Monika Enterprise seit 1997 so konsequent und aktiv für Popmusikerinnen und deren geschäftliches und kreatives Fortkommen ein (Barbara Morgenstern, Masha Qrella, Michaela Melián), dass die Bezeichnung Aktivistin wohl passt. Ihr neues Album “Moment” (Monika Enterprise) führt über eine packende Dramaturgie von funky Geräusch-Assemblagen (“Shuttle Service”) über dunkle Glam-Pop-Momente. In “Baby I Can Drive My Car” feiert Gut zu peitschendem Shuffle-Techno den Umstand, dass Frauen in Saudi-Arabien jetzt Auto fahren dürfen. “Boys Keep Swinging” ist eine aus Geräusch hervorgeschälte Coverversion des David-Bowie-Songs. Danach geht es wieder in Richtung Elektro-Akustik. Dass aus allen Sounds Musik werden kann, das zieht sich bei Gut sogar bis zum Albumtitel durch. Denn wenn man “Moment” abwechselnd deutsch und englisch ausspricht und sich dabei die Betonung der Silben verschiebt, vor und zurück, dann kann das schon Musik sein, wenn auch eher kein Pop.