Nat a l ie Ber id z e
Guliagava
Monika Enterprise / Morr Music ♣ VÖ 27.05.
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Klangkonstrukteurin, Spezialgebiet reduzierte Komplexatmosphäre.
Das wäre eine passende Beschreibung für Natalie Beridze, Georgiens bekannteste Elektromusikerin. Jeder Ton, jedes Kratzen, jedes dräuende Anschwellen der Lautstärke und vor allem jede Leerstelle sind mit Bedacht gewählt und stehen aus gutem Grund genau an ihrer Stelle, als tragendes Teil.
Beridze, die auch an der Medienuniversität von Tiflis Komposition lehrt, produziert ihre Musik beileibe nicht mit Beiläufigkeit. Genauso wenig lässt sie sich aber auch beiläufig konsumieren.
Auch „Giuliagava“, das mittlerweile zehnte Album, erschließt sich nicht sofort beim ersten Hören.
Die oftmals sperrigen Soundminiaturen bieten an der Oberfläche zunächst wenig Möglichkeit zum Festhalten. Doch schenkt man dem Ganzen etwas mehr Zeit, entfalten die Stücke ihre Stärke: eine seltene, entrückte Atmosphäre,
die manchmal auch in Beklommenheit kippt. „Fishermen 2015“ ist dafür ein gutes
Beispiel: Durchaus hoffnungsvoll singt Beridze den Text aus dem Abschiedsbrief eines auf der Flucht im Mittelmeer ertrunkenen Menschen. Im krassen Kontrast dazu steht das spärlich gesetzte, dissonante Klanggerüst; es macht das kommende Unheil förmlich spürbar.
Mit wenig Materialeinsatz so intensive Stimmungen zu errichten – das schafft eben nur eine verdammt gute Klangkonstrukteurin.
Britta Voß