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Sie ist sich ihrer Sache glücklicherweise sicher

SANFT Zwischen Melancholie und Euphorie: Die Elektronik-Folk-Diseuse Barbara Morgenstern belebt für ihr aktuelles Album „Doppelstern“ gute alte Ideen

Genau zwölf Jahre ist es her, da hat Barbara Morgenstern ein Album „Nichts muss“ genannt. Nun, auf ihrem neuen Werk „Doppelstern“, singt sie, die Stimme irritierend teilnahmslos: „Nichts ist nicht wichtig.“ Weil’s so schön ist, könnte man jetzt eine Entwicklung konstruieren: Wo einst Beliebigkeit war bei Morgenstern, der einstigen elektronischen Liedermacherin, der verhinderten Soul-Diva und Berliner Ikone, ist heute neue Bestimmtheit.

Aber, es ist schwierig, Morgenstern eine irgendwie geartete Kontinuität zu unterstellen. Die Frau, mittlerweile 44 Jahre alt, hat sich in ihrer ausgesucht unaufgeregten Art immer viel Mühe gegeben, Erwartungshaltungen zu unterlaufen, gesicherte Erkenntnisse zu negieren.
Aushängeschild Orgel

Als sie 1994 aus Hagen via Hamburg nach Berlin kam, etablierten sie und ihre Vermona-Orgel sich schnell als Aushängeschild der damals schicken Wohnzimmer-Szene. Prompt stellte Morgenstern mit elektronischeren Produktionen klar, dass sie sich nicht in erster Linie als digitalisierte Folksängerin, sondern ihre Wurzeln im Club sah. Das Klischee von der Techno-Hauptstadt Berlin zu bedienen, passte ihr aber auch nicht, also wurde sie im Jahr 2008, da leitete die musikalische Autodidaktin bereits den Chor im Haus der Kulturen der Welt, auf „dm“ stattdessen so orchestral und warmherzig, dass an Tanzen nicht mehr zu denken war. Und als sie Mutter wurde und nach Eigenaussage kaum noch dazu kam, einen Club zu besuchen, legte sie vor drei Jahren mit „Sweet Silence“ ein Album vor, auf dem sie nicht nur erstmals ausführlich Englisch sang, sondern auch noch tanzbare Beats programmierte, die dann trotzdem bloß wie eine wehmütige Erinnerung an lange Nächte klangen. Solche Kapriolen kann nur schlagen, wer sich seiner Sache sehr sicher ist.

Die neueste Volte heißt nun also „Doppelstern“. Ein Konzeptalbum, das keine Geschichte erzählt. Morgenstern hat andere Musiker eingeladen, mit ihr zusammen jeweils einen Song zu schreiben und aufzunehmen. Die meisten sind alte Weggefährten, Kollegen und Kolleginnen aus der Electronica-Szene, viele Berliner. Für den Auftakt hat T.Raumschmiere, Gründer des Shitkatapult-Labels und sonst bekannt für eher brachiale Tanzbodenbeschallung, mit Morgenstern einen spartanisch tuckernden Beat zusammengeschraubt, über dem die beiden im intimen Duett eine aus Missverständnissen erstandene Liebe beschwören. So geht es weiter: Hauschka steuert erratische Geräusche auf seinem präparierten Klavier bei, und die Kanadierin Julia Kent, die als Mitglied von Antony and the Johnsons bekannt wurde, zeigt, wie man auf dem Cello dramatisch wird, ohne in die dem Instrument naheliegenden Klischees zu verfallen. Mit Gudrun Gut reist Morgenstern durch sphärische Klangwelten, mit Tonia Reeh alias Monotekktoni singt sie eine fast schon kunstliedartige Ballade, die sich im Refrain in einen gebrochenen Soul verwandelt.

Einmal wird das „Doppelstern“-Konzept zum Tripelstern erweitert: Im Zusammenspiel mit Justus Köhnke, der wohl auch die Idee zum Albumtitel hatte, und Robert Lippok (Ornament und Verbrechen, Tarwater) gelingt Morgenstern der womöglich unbeschwerteste Track ihrer langen Laufbahn. Das leichtfertige „Übermorgen“ erinnert in seiner technoiden Schlagerhaftigkeit zumindest entfernt an die von Morgenstern so verachteten 2raumwohnung. Aufgenommen wurden die einzelnen Tracks dieses faszinierenden Sammelsuriums in unterschiedlichen Berliner Studios, aber auch in fernen Ländern.
Disparater Klang

Das liest sich nicht nur disparat, das klingt auch so. So verschieden die Gäste, so unterschiedlich bisweilen auch die Ergebnisse. Vom Lied geht es in den Club, das Gefühlsspektrum reicht von der Melancholie bis zur, allerdings eher schaumgebremsten Euphorie, die Stimmung ist mal kuschelig, mal stahlblau. Schlussendlich aber ist dann doch jedes Stück vor allem eins: ein Barbara-Morgenstern-Lied.

„Ich will bei mir sein“, singt sie einmal. Nur sie hat wohl das Talent, mit solch einem Satz nicht in Betroffenheitsduselei zu versinken. Stattdessen klingt der Satz, wenn sie ihn singt, wie ein Statement: Die Morgenstern ist sich ihrer selbst so sicher, dass selbst in der Kooperation mit anderen doch immer ihre Sanftheit dominiert. Nichts muss, aber alles wird wie selbstverständlich dann doch Morgenstern.

Text: Thomas Winkler

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